Netzvorschlag für den Berliner Flughafenexpress (FEX)
Manfred Kaschel, Bottrop
Veröffentlicht in der Zeitschrift SIGNAL, Heft 4/2018, November 2018, S. 4 u. 5
Nun ist es endlich so weit, dass der Ausbau der Dresdner Bahn in Berlin begonnen hat, schließlich soll über sie der Zubringerverkehr des Flughafenexpress zum künftigen Flughafen BER erfolgen. Als Jahr der Fertigstellung der Dresdner Bahn wird 2025 anvisiert. Bisher liest man aber nur davon, dass der Flughafen-Express (FEX) vom Berliner Hauptbahnhof zum Flughafenbahnhof BER im Hauptbahnhof (tief) starten soll. Vier Züge sollen pro Stunde im 15-Minuten-Takt auf den Weg geschickt werden.
Aber man liest nichts darüber, dass bis zum Jahr 2025 ein Netz für den Flughafenexpress damit verbunden werden soll. Sollen die Züge erst im Berliner Hauptbahnhof starten und dort wenden? Es wäre doch sinnvoller, die westlich und nördlich von Berlin gelegenen größeren Gemeinden mit dem Express zum Flughafen zu verbinden. Bei geplant vier Linien pro Stunde würde es sich doch anbieten, sowohl von Nauen, Velten, Oranienburg und Eberswalde ein Netz über den Berliner Hauptbahnhof und die Dresdner Bahn zum Flughafen zu bilden. So könnte von den genannten Bahnhöfen je ein Express stündlich zum Flughafen starten. Im Berliner Hauptbahnhof hätte man dann eine Bündelung von vier Zügen pro Stunde und damit einen 15-Minuten-Takt erreicht.
Es darf doch nicht so sein, dass Berlin-Hauptbahnhof zu einem Umsteigebahnhof für die Reisenden zum Flughafen wird. Man muss den Fahrgästen auf ihren Wegen entgegenkommen, daher ist eine Weiterführung nach Westen und Norden erforderlich. Allerdings dürften keine langlaufenden Züge darin eingebunden werden. Diese würden unnötige Verspätungen in das Netz hineintragen. Durch die Einrichtung und Anbindung solcher berlinnahen Expresszüge würden eine Verdichtung des Verkehrs und damit zusätzlich ein besseres Angebot auf den Strecken des Berliner Umlandes nach Berlin geschaffen.
Man sollte auch daran denken, dass nicht nur Fluggäste diesen Express nutzen werden, sondern dass auch die am Flughafen Beschäftigten von einem durchgehenden Zugangebot erheblich profitieren würden. Schließlich sind alle größeren Flughäfen auf Dauer zu sogenannten Jobmotoren geworden. In der Graphik ist ein solches Netz dargestellt, das die möglichen Verbindungen eines FEX-Netzes zum Berliner Umland erkennen lässt.
FEX 1 von Nauen zum BER
Der FEX 1 könnte hervorgehen aus der heutigen Regionalbahn RB 14, die von Nauen über Zoologischer Garten und Berlin Hauptbahnhof (oben) zum Flughafen Schönefeld fährt. Sie könnte stattdessen nach dem Bahnhof Spandau zum Bahnhof Jungfernheide abzweigen, um dann den Berliner Hauptbahnhof (tief) anzufahren.
Zur Zeit fährt die Regionalbahn RB 14 von Nauen nach Schönefeld-Flughafen, auf der Teilstrecke vom Hauptbahnhof (oben) über Alexanderplatz, Ostbahnhof und Ostkreuz benötigt sie 32 Minuten. Die Soll-Vorgabe lt. Planfeststellungsbeschluss für die Fahrt über die Dresdner Bahn in Berlin beträgt vom Berliner Hauptbahnhof (tief) bis zum Flughafen BER 15 Minuten. Sollte noch ein zusätzlicher Halt an der Buckower Chaussee erfolgen, würden vermutlich 17 Minuten benötigt werden. Der Halt aller FEX-Linien im geplanten Bahnhof Buckower Chaussee dürfte aber nicht erforderlich sein. Ein Halt pro Stunde oder zwei Linienhalte im Halbstundentakt wären dort ausreichend. Bei zu dichter Streckenbelegung auf der Dresdner Bahn auch mit anderen Zügen könnte die vorhandene Streckenführung von Nauen über Ostkreuz als Alternative aber auch beibehalten werden.
Um eine pünktliche Bedienung dieses Flughafen-Express der Linie 1 zu gewährleisten wäre es sinnvoll, zwischen Nauen und Spandau ein drittes Gleis für alle Regionalbahnen zu verlegen. Das ist ein Anliegen, das die Brandenburger wegen starker Streckenbelegung schon seit vielen Jahren vortragen. Jeder Pendler weiß, wie lästig es ist, wenn seine Regionalbahn wegen eines verspäteten ICE mal wieder auf einem Nebengleis pausieren muss. Eine angedachte Express-S-Bahn-Verbindung unter Gleichstrom zwischen Falkensee und Spandau nach Berlin auf neuen und vorhandenen Gleisen wird spätestens ab Westkreuz wegen der dichten Streckenbelegung nicht mehr als Express fahren können. Der Brandenburger hat ein Interesse daran, dass er möglichst schnell aus der Provinz zu den wichtigsten Bahnhöfen in Berlin gelangen kann. So wird in Nordrhein-Westfalen der Rhein-Ruhr-Express RRX geplant und hoffentlich auch bald gebaut. Er soll sicherstellen, dass eine schnelle Verbindung im 15-Minuten-Takt auf den Hauptstrecken zwischen den wichtigsten Städten gewährleistet wird. So müsste auch in Berlin mit dem Umland und für das Umland gedacht werden.
FEX 2 von Velten zum BER
Ein zweiter FEX sollte in Velten unter Fahrdraht starten und über Hennigsdorf und Tegel über die Kremmener Bahn zum Flughafen geführt werden. Zusätzlich könnte über diese Strecke der dieselgetriebene RE 6 (Prignitz-Express) zum Bahnhof Gesundbrunnen geführt werden. Damit könnte ein Halbstundentakt für beide Bahnen eingerichtet werden.
Auf dieser Strecke werden sich aber einige Probleme ergeben, da die S-Bahn von Hennigsdorf über Tegel nach Schönholz für einen 10-Minuten-Takt zweigleisig ausgebaut werden soll. Für ein drittes Gleis mit einer Regionalbahn unter Fahrdraht wäre dann nicht durchgehend in allen Bereichen Platz vorhanden. Teilweise müssten entsprechende Neubauten in Tegel und nördlich von Tegel im Bereich der Autobahn A 111 erfolgen. Wahrscheinlich wäre aber zwischen Hennigsdorf und Tegel ein 20-Minuten-Takt der S-Bahn weiterhin ausreichend, wenn FEX und RE 6 dort zusätzlich auf eigenem Gleis unter Fahrdraht im Halbstundentakt verkehren. Die S-Bahn-Strecke könnte dann nördlich Tegel wie bisher eingleisig mit Kreuzungsbahnhöfen gelassen werden. Denn mit FEX und RE 6 gäbe es dann fünf Züge von Velten über Tegel nach Gesundbrunnen pro Stunde. Das wäre ein ausreichendes Angebot.
Dieses zusätzliche Gleis unter Fahrdraht würde von Velten einen Halbstundentakt des FEX zusammen mit dem dieselgetriebenen RE 6 (Wittenberge - Gesundbrunnen) ermöglichen. Für den FEX und den RE 6 müssten natürlich zusätzliche Kreuzungsbahnhöfe oder Begegnungsabschnitte vorgesehen werden, für einen Kreuzungsbahnhof der Regionalbahn in Tegel sieht es allerdings eng aus. Für den RE 6 würde dann die halbe West-Umrundung Berlins (31 Minuten von Velten nach Falkensee) entfallen. Durch die Verlegung des RE 6 auf eine direkte Trasse über Tegel nach Gesundbrunnen würde auch die Strecke zwischen Finkenkrug und Staaken um ein Zugpaar pro Stunde entlastet.
FEX 3 von Oranienburg zum BER
Es ist sehr verwunderlich, dass in den letzten 25 Jahren kein ernsthafter Anlauf gemacht wurde - außer der eingleisigen Verlängerung der S-Bahn-Strecke von Frohnau nach Oranienburg - auch die Nordbahn als Regionalbahn parallel dazu wieder in Betrieb zu nehmen. Stattdessen muss der Regionalexpress genauso wie vereinzelt fahrende IC von Rostock bzw. Stralsund ab Oranienburg eine große Runde in den Osten der Stadt machen, um über das Karower Kreuz nach Gesundbrunnen zu kommen. Die direkte schnelle Verbindung über Frohnau und Gesundbrunnen zum Hauptbahnhof bleibt verschlossen.
Diese aus sozialistischen Zeiten stammende Umgehung Westberlins bedeutet heute noch für das Oranienburger Umland eine erheblich längere Fahrzeit bis zum Berliner Zentrum sei es durch den Umweg oder die S-Bahn-Nutzung. Von großzügiger Planung der Verantwortlichen ist dabei nichts zu sehen, eher von provinzieller Verkehrsplanung.
In den 1980-er Jahren wurde von der West-BVG recht großzügig mit der ehemals viergleisigen Trasse umgegangen, um eine S-Bahn-Abstellanlage nördlich des Bahnhofes Frohnau genau auf der Trasse der ehemaligen Fernbahn einzurichten. Diese zu verlegen, dürfte doch wohl kein zu großes Problem sein. Zusätzlich wurden damals Teile der S-Bahntrasse bis Frohnau auf das Gleisbett der alten Fernbahngleise gelegt, ohne dabei an die Wiedervereinigung und die Inbetriebnahme der Nordbahn zu denken. Wenn ein politischer Wille da sein sollte, würden Ingenieure auch den Weg zur Lösung finden.
Würde auf der Trasse zwischen Frohnau und Oranienburg zuerst eine eingleisige oder wo jetzt schon möglich eine zweigleisige Regionalbahnstrecke neu verlegt, könnte Oranienburg mit einem FEX zusammen mit dem Regionalexpress RE 5 von Rostock im Halbstundentakt eine schnelle Verbindung zum Berliner Hauptbahnhof erhalten. Dann könnte auch der 20-Minuten-Takt der S-Bahn mit nur einem Streckengleis vorläufig ausreichend sein.
Die Strecke war ursprünglich auch viergleisig, aber durch die inzwischen eingetretenen Anforderungen an größere Gleismittenabstände würde die Breite des heutigen Bahndammes nicht überall ausreichen. Wo es allerdings möglich sein sollte, wäre es sinnvoll, sofort drei bzw. vier Gleise von Hohen Neuendorf bis Frohnau zu verlegen, damit Begegnungsabschnitte geschaffen werden. Dazu könnten auch nicht mehr benötigte Güterbahnhöfe und Gütergleise genutzt werden. Selbst wenn auf dem vorhandenen Damm nur drei Gleise gebaut werden dürften, könnte eine Erweiterung um ein weiteres Gleise später immer noch erfolgen. Nachträglich könnten so nördlich von Frohnau je ein Gleis westlich für die S-Bahn bzw. östlich ein Gleis für die Fernbahn angebaut werden, wenn nach langwierigen Planfeststellungsverfahren der Bahndamm verbreitert werden kann oder dort Stützmauern errichtet werden dürfen. In Wilhelmsruh sollte zusätzlich auch ein Anschluss für die Heidekrautbahn vorbereitet werden.
Südlich Hohen Neuendorf würde allerdings die Gleichstrom-S-Bahn aus Richtung Bergfelde die Fernbahn (Fahrdraht) kreuzen, wenn kein kreuzungsfreier Anschluss in die Strecke der S1 gebaut wird. Man könnte natürlich auch die Frage stellen, ob die S-Bahn-Verbindung als Netzverknüpfung zwischen Hohen Neuendorf und Bergfelde überhaupt wirtschaftlich und notwendig ist und nicht durch Busse ersetzt werden kann.
Für die Regionalbahn könnten anfangs Bahnsteige an den Bahnhöfen Frohnau und Wittenau errichtet werden. Allerdings sind aufgrund der beengten Lage in Frohnau und Wittenau Bahnsteige nur bei eingleisigem Betrieb der Fernbahn in diesen Bereichen möglich. Ein Regionalbahnhof mit zwei Gleisen bedürfte erheblicher baulicher Änderungen und der Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens.
FEX 4 von Eberswalde zum BER
Diese Strecke von Eberswalde mit Halten in Bernau und Pankow dürfte nach dem zur Zeit stattfindenden durchgehenden Ausbau auf zwei Fernbahngleise und der Neugestaltung des Karower Kreuzes die geringsten Probleme bieten. Ein zusätzliches Zugpaar pro Stunde wird künftig ohne Probleme möglich sein. Allerdings sollte ein Regionalbahnhof in Pankow erstellt werden, der schon seit Jahren diskutiert wird.
Zusammenfassung
Es wird Zeit, dass nördlich von Berlin (Hennigsdorf und Oranienburg) die Folgen des Mauerbaus beseitigt werden. Man sollte damit nicht warten, bis der Flughafen BER zur Überraschung aller in Betrieb genommen wird! Immerhin sind seit der Wiedervereinigung schon über 28 Jahre vergangen. Da es natürlich immer Probleme mit dem komplizierten deutschen Planungsrecht gibt, sollte man solche Planungen so früh wie möglich in Angriff nehmen. Wichtig wäre auch eine ‚Verschlankung‘ des ausgeuferten deutschen Planungsrechtes durch den Bundesgesetzgeber.
Die 25-jährige Verzögerung des Baubeginns für die Dresdner Bahn durch Bürgerinitiativen und Politiker sollte eine Mahnung sein. Wer nicht genügend Baupläne auf Vorrat in den Schubladen hat, geht bei der Verteilung von Investitionsmitteln leer aus. Und wer zu spät kommt, den bestraft bekanntlich das Leben. Dann würden allerdings nicht die Politiker bestraft, sondern die Nutzer des ÖPNV mit schlechter Beförderungsqualität. Und die Pendler aus dem Berliner Umland bezahlen heute schon mit ihrer Freizeit für die planerische Vernachlässigung der Nordbahn und der Kremmener Bahn. Und das, obwohl diese Strecken nie rechtlich entwidmet wurden und damit Bestand haben und in Teilen ohne große Genehmigungsverfahren wieder hergerichtet werden dürfen! Wenn Politiker Stellung beziehen für den ÖPNV und gegen den Individualverkehr, dann sollten sie auch entsprechend handeln.
Wie lange will man in Berlin denn noch auf einen weiteren Ausbau, genauer Wiederaufbau, des Schienennetzes warten? Das Projekt i2030 - Entwicklungsprojekte für die Hauptstadtregion – ist sicher lobenswert, aber es kommt zu spät. Wieso schaffen es Berliner Politiker und die Deutsche Bahn seit Jahrzehnten nicht, die Nordbahn für den Fern- und den Regionalverkehr wieder zu aktivieren und die Kremmener Bahn auszubauen? Erfreulicherweise liest man dann plötzlich, dass die Niederbarnimer Eisenbahn (NEB) – Quelle: Berliner Zeitung (online) am 11.03.2018 – aktiv ist, um die Heidekrautbahn wieder in Betrieb zunehmen! Hier macht eine kleine Bahngesellschaft vor, wie man eine Strecke aktivieren will, die vor Jahrzehnten stillgelegt wurde. Und das geht anscheinend sogar ohne Klageverfahren. Da haben die Verantwortlichen der Niederbarnimer Eisenbahn beste Vorarbeit geleistet! Solche Leute braucht Berlin!
Der Autor will mit diesen Vorschlägen darauf hinwirken, das Bahnnetz in Berlin und seinem Umland im Rahmen der Einführung des FEX attraktiver zu gestalten. Sie sollen Denkanstöße liefern. Das schließt natürlich nicht aus, dass es auch in anderen Bereichen Berlins Ausbaubedarf im Regionalverkehr gibt (z. B. Stammbahn).